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Meine Reise nach Teneriffa

Die Idee

Ein Urlaub mit YAT war mittlerweile zur Tradition und zu meinem absoluten Jahres-Must-Have geworden. Dieses Jahr würde es nach Mallorca gehen. Doch das war erst Ende August der Fall und auch nur für eine Woche. Davor war also noch jede Menge Zeit, 14 Tage um genau zu sein. Was also tun? Der ursprüngliche Plan war es, einfach zu Hause zu bleiben und Tagesausflüge zu machen, mal nach Leipzig, Dresden oder einfach einmal ins Kino. Mein Vater wäre während dieser Zeit arbeiten, deswegen wollten wir nichts Großes machen. Tja, haben wir dann aber doch! Denn einige Wochen vor meinem Urlaub kam uns der Plan dann doch etwas lasch und langweilig vor.


Einige Monate zuvor lernte ich Henning kennen. Er war von Lüneburg nach Teneriffa ausgewandert und leitete dort, zusammen mit seiner Frau Petra, eine Tauchakademie für Menschen mit Behinderung. Sehr beeindruckend! Nebenbei hatte er ein großes Projekt, einen großen Wunsch, eine Vision: Henning wollte eine Rundreise mit einem, für Rollstuhlfahrer umgebauten, Bus machen, um dort Kunst, Kultur, Sport und Genuss zu erleben. Natürlich wollte er auch tauchen gehen. Und das alles mit einer Gruppe von Menschen mit den verschiedensten Einschränkungen. Henning wollte an Grenzen gehen und mit diesem Vorzeigeprojekt verdeutlichen, was alles möglich ist. Diese Idee war genau wie für mich gemacht! Als wir das letzte Mal auseinander gingen, schlug Henning vor, ich solle ihn doch einmal in Teneriffa besuchen kommen.


Schon vor einigen Jahren hatten wir das Mar y Sol Hotel auf Teneriffa entdeckt, viele Zeitschriften, die sich mit Themen rund um ein Leben mit Handicap befassten, berichteten darüber. Was genau hielt uns eigentlich davon ab, dort für ein paar Tage Urlaub zu machen. Das Resort bot gute rollstuhlgerechte Zimmer, eine komplett stufenfreie Außenanlage und vor allem einen Pool mit Lifter. Gute Voraussetzungen also, einen Urlaub nur zu zweit zu machen. Tatsächlich hatte ich in 20 Jahren noch keinen Urlaub nur alleine mit meiner Mutter unternommen. Die Aufenthalte in der Rehaklinik Hohenstücken zählten ja schließlich nicht als Urlaube …


Erst im Juni, vielleicht war es sogar schon Juli, entschlossen wir uns endlich dazu, den Urlaub nach Teneriffa zu buchen. Die Buchung wollte ich diesmal soweit wie möglich alleine übernehmen, als angehende Tourismus-Kauffrau konnte man ja schon einmal etwas üben. Ich erledigte die Reservierung des Hotelzimmers direkt auf der Internetseite des Mar y Sol. Das war einfach und sogar besondere Anmerkungen konnte ich noch hinzufügen. Wir wollten nämlich vom Flughafen zum Hotel gebracht werden. Der Transfer wurde kostenfrei vom Sanitätshaus LeRo angeboten, welches seinen Sitz direkt neben dem Hotel hatte. Dort konnten auch E-Rollstühle oder andere Hilfsmittel für den Aufenthalt ausgeliehen werden, wir wollten allerdings nur den Transfer.

Achtung: Der Transfer hat uns etwa 80 € gekostet und war nur vom Flughafen Teneriffa Süd möglich!


Einen passenden Flug suchten wir über die Internetplattform www.fluege.de raus, gefunden wurde einer mit der Fluglinie Condor.

Hier eine ganz große Vorwarnung: Weder über fluege.de noch über die direkte Website der Airline ist die Buchung von Gepäck oder dem Mobilitätsservice möglich, welchen man als Rollstuhlfahrer benötigt. Dafür ist ein Anruf direkt bei Condor nötig. Dieser ist zwar kostenfrei, jedoch verbringt man hier viel Zeit in der Warteschlange. Für die Buchung von Gepäckstücken kostet dann auch nochmal extra Geld und nicht gerade wenig. Beim Mobilitätsservice gibt es mehrere Stufen, je nach Bedarf der nötigen Hilfestellung. Für mich, die ich nun zu 100 % auf meinen Rollstuhl angewiesen bin, war die Begleitung bis zum Sitzplatz erforderlich. Mit einem speziellen Flugzeugstuhl wird man durch das Flugzeug zur entsprechenden Reihe gebracht und dann von zwei Personen umgesetzt.

Trotz etwas Ärger über die verstrichene Zeit und den hohen Flugpreis hatten wir nun alles sicher in Sack und Tüten. Es konnte losgehen! Teneriffa, wir kommen! Mein Ärger über die fehlende Information, dass für die Buchung von Gepäck und Mobilitätsservice ein Anruf bei der Fluggesellschaft nötig war, war neben der Freude über den bevorstehenden Urlaub trotzdem noch groß!


Tag 1 (11.08.2017)

11:00 Uhr vormittags auf dem Flughafen Halle/Leipzig: Die Aufregung war groß, die Schlange beim Check In nach Teneriffa lang. Was würde uns wohl auf Teneriffa erwarten? Würde der Flug Verspätung haben und würden wir rechtzeitig abgeholt werden? Trotz der Tatsache, dass ich für Leute “in meiner Situation” schon recht oft geflogen war, war es immer wieder aufregend. Nach der Verabschiedung von meinem Vater deckten wir uns im Duty Free mit Snacks und Zeitschriften für den Flug ein und warteten dann am Gate auf die Dinge, die da kommen sollten …


Übrigens: Es gibt auch die Möglichkeit, Hilfe beim Check In und der Gepäckaufgabe zu bekommen. Wir entschieden uns diesmal aber für die Hilfestellung ab Gate.

Der Mobilitätsservice am Leipziger Flughafen hat eine ganz besondere Gabe, nämlich immer kurz vor knapp zu kommen, so dass man als Passagier schon leichte Panik bekommt. Aber keine Angst: Sie kommen immer und erledigen ihre Arbeit zuverlässig.

Zugegeben: Der Flug mit Condor nach Teneriffa mit einer Dauer von viereinhalb Stunden und einem unzufriedenem Kind hinter mir war anstrengend! Das hatte ich irgendwie anders in Erinnerung! Die Beinfreiheit war ausreichend, für meinen Geschmack allerdings immer noch etwas zu wenig. Essen und Getränke mussten alle separat bezahlt werden, auch wenn man dem natürlich durch das Mitbringen eigener Verpflegung entgehen kann. Irgendwann konnte ich dann auch nicht mehr sitzen. Positiv zu erwähnen ist, dass die Fluggesellschaft ein breites Entertainmentprogramm bietet. In den Gängen befinden sich Bildschirme die Filme und Serien für jedes Alter zeigen und am Sitz ist eine Kopfhörerbuchse über die verschiedene Programme empfangen werden können.


Gelandet auf dem Flughafen Teneriffa Süd verlief der Transfer aus dem Flugzeug unkompliziert. Sogar beim Abholen der Koffer bekamen wir Hilfe.

Die nächste Mission war nun, den Transfer zum Hotel zu finden. Und das gestaltete sich tatsächlich gar nicht so einfach: Zwar stand auf unseren Reiseunterlagen genau geschrieben, wo wir uns einfinden sollten, der Flughafen war jedoch riesig. Nach einer Weile hatten wir den Sitz des Transfers aber gefunden. Hier war aber niemand. Was nun? War die Buchung des Transfers nicht eingegangen? Was sollten wir tun? Ganz einfach: Warten! Und dann weiter warten, denn als endlich jemand kam, wurde uns gesagt, wir mussten noch auf andere Passagiere warten, die aus Frankfurt kamen. Was soll´´s! Zumindest waren wir auf der sicheren Seite!


Nach etwa einer weiteren Stunde Wartezeit saßen wir mit einer Familie aus Hessen im rollstuhlgerechten Kleinbus und fuhren in Richtung Hotel. Der Junge der Familie saß ebenfalls im Rollstuhl. Noch ahnten wir nicht, wie viele Rollstuhlfahrer uns in den nächsten Tagen begegnen würden. Die Fahrt zum Hotel dauerte knappe 20 Minuten. Die Landschaft sah schon jetzt vielversprechend hier aus.

Am Hotel angekommen, erwartete uns eine Überraschung: Henning erwartete uns bereits! Nachdem wir die Koffer ausgeladen hatten, eingecheckt waren und die Sachen ins Zimmer geschafft hatten, aßen wir gemeinsam zu Abend, direkt am Pool bei etwa 26 °C und guten Gesprächen. Schon jetzt zählte ich im Speiseraum mindestens 20 Rollstuhlfahrer

Was würde uns wohl morgen erwarten? Wir waren gespannt!


Tag 2 (12.08.2017)

Trotz der Wärme hatte ich diese Nacht recht gut geschlafen. Das Zimmer mit kleinem, ebenerdig zugänglichem Balkon, war wirklich schön und bot genug Platz.

Tipp: Duschstühle gibt es in verschiedenen Ausführungen im Vorfeld kostenfrei zu buchen.


Von der Rezeption hatten wir gestern Unmengen an Zetteln bekommen, die unterschrieben zurück sollten. Was war das nur alles? Trotz der Idylle fühlte ich mich ein bisschen wie in der Rehaklinik. Keine Kritik, schließlich habe ich dort einige meiner engsten Freunde gefunden und wahnsinnig tolle Tage erlebt. Der leidliche Krankenhauscharakter blieb allerdings als bitterer Beigeschmack.


09:30 Uhr saßen wir mit voll geladenen Tellern beim Frühstück am Pool. Das Frühstück war wirklich lecker! Auch beim Abendbrot sah man, dass sich viel Mühe gegeben wurde. Meinen Geschmack traf es trotzdem nicht ganz. Doch wer sich über das Essen beschwert, hat wohl keine anderen anderen Sorgen. Also lassen wir das!

Nach dem Frühstück holte ich mir zuerst einen WLAN-Zugang, ein bisschen arbeiten wollte ich schließlich auch. Sowohl WLAN als auch der Zimmersafe kosteten täglich Geld. Ich empfand dies als nicht mehr zeitgemäß. Zwar gab es freies WLAN in der Bibliothek, jedoch mit nicht besonders guter Qualität. Ich konnte nun schnelles WLAN im ganzen Haus benutzen. Dieser Luxus sollte im 21. Jahrhundert meiner Meinung nach aber wirklich kostenlos sein! Das Hotel gehört einem Deutschen und auch die Mitarbeiter sprachen alle Deutsch, die Verständigung war also kinderleicht.


An der Rezeption lagen ein Dutzend Flyer von Attraktionen auf Teneriffa aus. Das Hotel selbst bot auch verschiedene Touren an.

Wir wollten heute aber einfach erstmal den Pool und die Möglichkeiten des Hotels austesten.


Mit einem Sitzlifter wurde ich vom attraktiven Poolboy ins Wasser gelassen. Das funktionierte noch manuell mit Kurbel. Für Menschen, denen das Sitzen nicht möglich war, gab es auch ein Liftertuch. Wenn ich wieder hinaus wollte, half mir der Poolboy mittels Lifter wieder aus dem Wasser. So war “kurz baden gehen” ganz unkompliziert möglich. Toll! Die Außenanlage bot außerdem noch eine Menge Wellnessliegen, auf die meine Mutter mich aufgrund der Höhe rückenfreundlich heben konnte. Auf der Ebene befanden sich außerdem noch etwa vier rollstuhlgerechten Toiletten und Duschen. Das Restaurant bot leckere Snacks und Getränke, natürlich aber nur gegen teures Geld. Doch was gab es Besseres als eine eisgekühlte Cola und ein gutes Buch im prallen Sonnenschein?


Am späten Nachmittag unternahmen wir eine erste kleine Erkundungstour. Egal, wo man hin wollte, vom Hotel aus ging es entweder steil bergauf oder bergab. Nicht wirklich optimal mit einem Aktivrollstuhl und der nötigen Unterstützung beim Schieben.

Wir waren auf dem Weg zum Strand. Den barrierefreien Strandabschnitt fanden wir heute nicht. Tja, dann schafften wir uns eben unseren eigenen. Was für ein Blick! Erstaunlich: Entlang der gesamten Strandpromenade befanden sich sehr saubere Rollstuhltoiletten, die mit dem Euro-Schlüssel zugänglich waren.


Tag 3 (13.08.2017)

Ja, schon klar, ich war tauchen und bestimmt war das eines der coolsten Dinge, die ich in meines bisherigen Leben gemacht habe. Doch mit Sicherheit wird mir auch dieser Tag noch ganz lange in Erinnerung bleiben!

10:30 Uhr morgens: Nach einem stärkendem Frühstück wurden die Schwimmsachen, die Kamera, Geld und was man sonst noch so brauchte zusammengepackt. Es konnte losgehen! Henning erwartete uns mit seinem Berlingo bereits vor dem Hotel. Ich platzierte mich neben ihm auf dem Beifahrersitz, meine Mama auf der Rückbank und dann konnte es losgehen zur großen Inseltour! Wir wollten so viel wie möglich sehen an diesem Tag und Henning, der nach Teneriffa ausgewandert war und nun schon eine Weile dort lebte, konnte uns natürlich zu ein paar geheimen und besonders schönen Ecken führen. Wie cool war das denn?


Von Los Christianos, dem Stadtteil, in dem unser Hotel angesiedelt war, ging es zuerst nach Vila Flor. Hier zeigte uns Henning sein erstes Haus hier auf Teneriffa. Anschließend aßen wir ein, für Teneriffa sehr bekanntes, Mandelgebäck. Zugegebenermaßen war das ein bisschen trocken, aber trotzdem lecker und vor allem direkt von hier.

Wir kauften hier noch ein bisschen Wasser für uns alle und dann ging es weiter in Richtung Nationalpark El Teide, immer schön die naturnahen Serpentinen hinauf, ja nicht über die Autobahn!

Auf dem Weg kamen wir am Observatorio del Teide, was laut Henning nur einige Zeit zuvor vom weltbekannten Physiker Stephen Hawking besuct wurde, um sein STARMUS Festival auszutragen. Das Festival ist unter Physikern sehr renommiert, mehrere Nobelpreisträger waren hier anwesend. Observatorio del Teide

Angekommen auf der Aussichtsplattform des Teide bot uns ein einmaliger Anblick. Die Landschaft war hier ganz anders als zu Hause. Wahnsinn!


Wieder im Auto war die Universitätsstadt La Laguna unser nächstes Ziel. Schön war es hier! Wahrscheinlich gab es in diesem Augenblick nichts Besseres, als eine kühle Cola in einem der vielen Straßencafés zu genießen und die Menschen zu beobachten. Hier zu wohnen war durchaus vorstellbar, auch als Rollstuhlfahrer! Zwar gab es hin und wieder mal einen schmalen Fußweg aber dann auch wieder gute asphaltierte Straßen und Gassen. Die Stadt wohl nicht größer als mein Heimatort Lutherstadt Eisleben. Und doch so viel schöner!


Mittlerweile war der Nachmittag angebrochen und wir alle hungrig. Für ein leckeres Essen fuhren wir zu einem von Hennings liebsten Restaurants. Wer könnte bei diesem Ausblick wohl widerstehen?


Achtung: Diese Location ist wohl alles andere als rollstuhlgerecht. Wer kein Risiko eingehen möchte (z.B. Rollstuhl Treppe hochtragen), sollte diesen Ort lieber meiden!

Schrimps in Knoblauchbutter und dazu Käse mit Honig überbacken – was für ein Festmahl! Auf dem Rückweg wollten wir noch durch das beeindruckende Anaga-Gebirge. Hier konnte man schon wieder eine ganz andere Natur als noch vor ein paar Kilometern im Nationalpark erkennen. Wir durchquerten auch die Hauptstadt Santa Cruiz, als wir uns doch für einige Zeit der Autobahn hingaben.


Erschöpft aber glücklich fielen wir heute, nach 10 Stunden Teneriffa-Expedition, ins Bett. Was für ein Tag! Danke Henning!


Tag 4 (14.08.2017)

Heute war Entspannung angesagt! Wir verbrachten den gesamten Vormittag am Hotelpool und auf der Sonnenliege. So ließ es sich leben!

Am Nachmittag wollten wir zu Fuß Los Christianos erkunden, Priorität hatte natürlich wie in jedem Urlaub das Hard Rock Café. Vom Hotel aus war der Abstieg in die Innenstadt bzw. der Aufstieg wieder zurück sehr anstrengend. Wir überlegten spaßeshalber sogar einen E-Rollstuhl auszuleihen!

Nach einigen Irrwegen, auf denen wir wunderschöne Ecken entdeckten, fanden wir das Hard Rock Café. Nun war “Beweisfotos sichern” angesagt!


Irgendwie hatten wir es wieder nach oben ins Hotel geschafft. Mit einer leckeren kanarischen Apfelschorle beendeten wir den Tag heute. Die Aufregung auf den morgigen Tag war riesengroß!


Tag 5 (15.08.2017)

Falls man als Rollstuhlfahrer weiche Knie bekommen kann, bekam ich diese definitiv, als ich heute Morgen erwachte. Doch eine andere Seite von mir konnte es kaum fassen und war unglaublich glücklich und stolz. Ich würde die erste aus meinem „rollenden Freundeskreis“ sein, die das hier tun würde. Tauchen! Ein verdammt gutes Gefühl!

Wie auch schon zu unserer Inseltour holte uns Henning gegen 10:30 Uhr vom Hotel ab. Was für ein Service! Doch diesmal war er nicht allein. Petra, die unter anderem Körperpsychotherapeutin ist und ein Teil meines „Tauchteams“ darstellen würde, erschien mir sofort sympathisch. Zusammen haben sie El Alma Rie Tauchen gegründet und machen seitdem einmalige Taucherlebnisse für jedermann möglich, egal ob mit oder ohne Handicap. Eine wirklich tolle Sache! Einmalig!

Der Grundkurs sollte im „T3 – Teneriffa Top Training“ stattfinden. Hier trainieren Spitzensportler in Sportarten wie z.B. Schwimmen, Fußball, Tennis, Laufen und Tauchen. Eine beeindruckende Anlage und zu 100% rollstuhlgerecht! Unter anderem wird hier auch für die Paralympics trainiert. All das und noch viel mehr passiert hier und doch hatten wir das gesamte Areal, aufgrund des höchsten kanarischen Feiertages des Jahres, heute fast für uns alleine.


Nach einem Eiskaffee, der meine Nerven erheblich beruhigte, sollte es dann tatsächlich losgehen. In diesem Moment hielt ich mich selbst für völlig irre.


Zuerst holten wir die Tauchausrüstung: Jackets, Neoprenanzüge, Schuhe, frisch befüllte Sauerstoffflaschen und Lungenautomaten. Für „die Läufer“ gab es natürlich auch noch Flossen.

Henning und Petra verbunden das ganze Equipment in Höchstgeschwindigkeit und dann war ich auch schon, wenige Zeit später, umgezogen im Pool. Jetzt wurde es Ernst!


Nur zum Verständnis: Ich kann nicht schwimmen! Umso erstaunlicher und absurder war die Idee, einen Tauchkurs zu machen. Doch für´s Handicap-Tauchen ist das tatsächlich keine Voraussetzung.

Fast der gesamte Grundkurs befasst sich mit dem wichtigsten Element des Tauchens: Der Atmung. Die Umstellung von Nasen- auf Mundatmung fiel mir erstaunlicher Weise nicht so schwer wie gedacht. Erstaunlich deshalb, da man bei mir als Spastiker weder von einer besonders kräftigen Lunge, noch von einer besonders tiefen Atmung sprechen kann. Im Vorfeld erklärte uns Henning, dass das Tauchen nicht nur Spaß mache und eine unglaubliche Erfahrung sei, sondern auch einen positiven Effekt auf Atmung und Aussprache habe.

Mit Henning hinter mir und Petra vor mir, fühlte ich mich nach kurzen Anfangsschwierigkeiten wirklich sehr sicher. Wie gesagt, ich kann wirklich nicht schwimmen!


Das erste Mal unter Wasser gehen, unter Wasser atmen und einfach nur zu atmen und dabei die absolute Ruhe zu genießen – ein unglaubliches Gefühl!

An was ich in dieser vollkommenen Stille dachte? Ich dachte daran, wie stolz ich doch sei, das hier durchgezogen zu haben. Und dann dachte ich an all die tollen Menschen, die mich immer unterstützt haben und das auch weiterhin immer tun werden, egal wie schwer die Zeiten auch sein würden – zu allererst natürlich meine Familie, aber auch meine tollen Freunde, die ich während meiner Schulzeit und auch während meiner Zeit jetzt in Potsdam kennenlernen durfte. All die tollen Erlebnisse, die ich durchlebt hatte, gerade mit dieser Taucherfahrung durchlebte und noch durchleben würde, waren stärker als jeder Schmerz, jedes Leid, jede unnötige Diskussion und jede Abhängigkeit. Ich war überglücklich!

Als ich dann auch noch meiner Mutter diese tolle Erfahrung eines Tauchgangs in diesem leicht gesalzenen, völlig reinen Wasser ermöglichen konnte und sie vor Freude strahlend wieder auftauchte, war mein Glück vollkommen. Alles war perfekt!


Am faszinierendsten fand ich, dass wir alles was hier passierte, in meinem ganz eigenem Tempo machten, denn aus sehr guter eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das im Leben eines “Vollzeit-Spastikers”, wie ich mich gerne bezeichne, das Wichtigste ist!

Der Grundstein war nun gelegt. Ich hoffe sehr, in nicht allzu ferner Zukunft, gemeinsam mit Henning und Petra, im Meer tauchen gehen zu können und tolle Tiere zu sehen.

Leute, ich danke euch vielmals, dass ihr mir diese unglaubliche Erfahrung ermöglicht habt. Das Leben bietet wohl tatsächlich viel mehr Möglichkeiten, als wir denken und wahrscheinlich spielt eine Einschränkung, wie stark sie auch sein mag, gar keine so große Rolle. Es geht um den Menschen, seine Motivation und Willensstärke.


Interesse geweckt? Dann meldet euch bei mir oder geht direkt auf Tauchakademie El Alma Rie. Es lohnt sich und ich empfehle es jedem, der mal ein Abenteuer erleben möchte, Grenzen ausprobieren und sich dabei trotzdem sicher fühlen will!

Dieser Tag wird definitiv in die Kategorie der Tage eingehen, die ich in meinem Leben wohl nicht vergessen werde. Wo das noch hinführen wird? Ich bin gespannt! Henning, Petra, Holger, meiner Mama und all denen, die am Projekt beteiligt waren, gebührt ein riesiger Dank! Ihr seid der Wahnsinn!


Tag 6 (16.08.2017)

Ein ereignisreicher Tag lag nun hinter uns, besser gesagt war der ganze Urlaub eine Anreihung von wahnsinniger Ereignisse, so wie sie von mir erträumt wurden. Was gibt es eigentlich Besseres?

Ein entspannter Tag am Pool und an der Bar war nun genau das Richtige! Zwar waren mir persönlich die Liegen etwas zu hoch und die Preise für Speisen und Getränke auf Dauer ein wenig zu heftig, aber ich konnte unbeschwert schwimmen gehen. Und wann war das schon mal möglich?

Am Nachmittag wurden wir noch einmal von Henning abgeholt. Den Wagen hatte er voller Einkäufe. Wir fuhren zu ihm nach Hause, wo uns Petra bereits erwartete.

Schön war es hier! Der Ausblick unglaublich! An seinem Laptop ließ uns Henning noch weiter in die Materie “Handicap-Tauchen” Einblick nehmen.

Bei einem wahnsinnig leckerem Abendessen, dass die beiden für uns gezaubert hatten, philosophierten wir über weitere Ideen. Wie weit die Zusammenarbeit auch immer gehen würde, sicher war, wir würden uns wohl nicht mehr so schnell aus den Augen verlieren!


Tag 7 (17.08.2017)

Traurig aber wahr: Heute war unser letzter “richtiger” Urlaubstag! An dem wollten wir noch einmal den barrierefreien Strandabschnitt erkunden. Durch unsere Mitfahrer vom Anreisetag hatten wir jetzt eine bessere Vorstellung davon, wo sich dieser befinden könnte.

Die Strandpromenade hatte wirklich viel zu bieten und diesmal war der Strandabschnitt auch wirklich nicht zu verfehlen. Wir meldeten uns bei den Liveguards dort an. Im Moment waren alle Strandbuggys besetzt, wir sollten später wieder kommen. Dann eben noch eine kleine Shopping-Aktion bei Esprit, Frauenurlaub eben!

Im Strandbuggy kümmerten sich drei äußerst ansehnliche Männer um mich, schoben den Strandbuggy ins Wasser und bespritzten mich abwechselnd mit Wasser. Anfänglich ein bisschen albern, dann aber doch irgendwie lustig! Nach diesem “Badespaß” wurde ich sogar noch abgeduscht. Man kann halt auch mal Glück haben!


Tag 8 (18.08.2017)

Wie in jedem meiner Urlaube fiel mir der Abschied unheimlich schwer. Doch ich schwor mir fest, noch einmal nach Teneriffa zurück zu kommen!

Nach dem letzten Frühstück in der Sonne nutzten wir noch einmal den Pool. Der Shuttle zum Flughafen würde es 15:00 Uhr kommen.

Der Transfer verlief unkompliziert. Wir wurden bis zur Anmeldung für Passagiere mit Handicap begleitet, um unser Gepäck kümmerte man sich auch.

Doch es wäre zu schön gewesen, wäre alles glatt gelaufen! Unser Flug erschien ewig nicht auf den Anzeigetafeln und ständig änderte sich das Gate. Infolge dessen hatte unser Flug über eine Stunde Verspätung. Doch am Ende ging alles gut! Wir kamen heil wieder zu Hause an! Eine wunderschöne Reise voller Eindrücke, neuer Erfahrungen, spannender Abenteuer und frisch gefundenen Freundschaften ging so zu Ende! Auf Wiedersehen, Teneriffa!


Fazit: Ganz klar habe ich mich in diese Insel verliebt, denn neben dem üblichen Badetourismus, auf den sie oft reduziert wird, hat sie so viel mehr zu bieten, vor allem tolle Natur. Sie hat mir Lust darauf gemacht, noch einmal wiederzukommen! Das Hotel ist genau das, was es sein soll: super geeignet für Rollstuhlfahrer! Die Zimmer sind geräumig, für Hilfsmittel oder Notfälle ist ein Sanitätshaus bzw. ein Arzt ansässig und es gibt einen Pool mit Lifter. So wird es auch schwerstbehinderten Menschen ermöglicht, in den Urlaub zu reisen. Allerdings fiel mir auf, dass man im Hotel für alles teuer Geld bezahlen muss, sei es TV, WLAN, der Safe oder die Speisen und Getränke an der bar. Für meinen Geschmack ist das schon lange nicht mehr zeitgemäß! Wer außerhalb des Resorts nicht so mobil ist, wird hier abgezockt! Die Lage des Hotels ist eher suboptimal, da es entweder steil bergauf oder -ab geht und der Strand noch ein Stück entfernt liegt. Trotzdem empfehle ich dieses Hotel! Menschen, die stark auf Hilfe angewiesen sind, können sich hier eine schöne Zeit machen und werden gut umsorgt. Es gibt sogar einen Pflegedienst.

Ich persönlich hatte in diesem Jahr einen wunderbaren Urlaub. Gerne möchte ich noch einmal wiederkommen, vielleicht auch für einen längeren Zeitraum. Bis dahin: Auf ganz bald, Teneriffa!




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