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Mein Auslandssemester – Mit Erasmus in Helsinki, Finnland

Hallo und beste Grüße aus Helsinki, der Hauptstadt Finnlands! Zum Zeitpunkt, zu dem ich diesen Text verfasse, wohne und lebe ich knappe vier Wochen in der finnischen Hauptstadt an der Ostsee. Doch wie ist es überhaupt dazu gekommen? Die kurze Antwort: Durch mein Studium. Seit Oktober 2022 studiere ich Soziale Arbeit an der Fachhochschule in Potsdam. Schon von Beginn an hat mir mein Studium unglaublich viele Türen geöffnet und Möglichkeiten geboten, von denen ich nicht zu träumen gewagt hätte. An der Hochschule fühlte ich mich wohl, hier spielte der Rollstuhl, wenn überhaupt, nur eine ganz untergeordnete Rolle. Ich war hier von Anfang an gut integriert, konnte den Studienalltag an meine eigenen Bedürfnisse anpassen, lernte viele neue Leute kennen und bekam nur so viel Sonderbehandlung, wie wirklich nötig war (z.B. Zeitverlängerung bei Prüfungen). Ich fühlte mich wirklich angekommen, musste mich nicht mehr irgendwie verstellen und konnte viele neue Sachen für mich ausprobieren. Da ich schon beim Studienstart gehört hatte, dass es wohl „sehr einfach“ wäre, während des Studiums ins Ausland zu gehen, ließ ich mir das natürlich nicht zweimal sagen. Ich hatte schon immer einen gewissen Drang danach, meine Grenzen immer wieder aufs Neue auszutesten. Ohne neue „Projekte“ wurde mir außerdem immer schnell langweilig und ins Ausland zog es mich sowieso immer. Also schrieb ich der Koordinatorin unseres International Office eine Mail, dass ich gerne das Studium dafür nutzen würde, um ins Ausland zu gehen. Ich berichtete aber auch von meinen speziellen Bedürfnissen und „Schwierigkeiten“. Ich hatte mir überlegt, dass ich mir einen zweimonatigen Austausch gut vorstellen könnte. Das entsprach zwar nicht einem ganzen Semester, jedoch aber dem, was ich mir selbst, vor allem im Bezug auf die Organisation der Assistenz, vorstellen und zutrauen konnte. Für mich war klar, dass das ganze nur funktionieren würde, wenn ich meine eigenen, gewohnten Assistent*innen aus Deutschland mit mir nahm.


Ich vor einem riesigen Ausflugsdampfer
Ich vor einem riesigen Ausflugsdampfer

An dieser Stelle kann jede*r für sich selbst entscheiden, wie er oder sie das organisieren würde, doch für mich kamen Assistenzkräfte aus dem Ausland, die ich nicht kannte und die eine fremde Sprache sprechen würden, erst einmal nicht infrage. Und so begannen zahlreiche Gespräche und Überlegungen, zusammen mit dem International Office, wie man meine Idee in die Tat umsetzen könnte. Sie waren sehr engagiert und „Feuer und Flamme“, hatten aber natürlich auch wenig Erfahrungen von dem, was ich benötigte. Für mich war das auf der anderen Seite aber auch gut, denn so konnte mir niemand etwas vorschreiben und ich alles auf meine Bedürfnisse anpassen. Ich schrieb eine Initiativbewerbung, die dann an einige Partnerhochschulen weitergereicht wurde. Ich war nicht direkt auf ein Land festgelegt, wollte einfach einmal schauen, was möglich war. Auf Finnland und Helsinki wäre ich allerdings nie gekommen! Allerdings war ich dann doch sehr zufrieden mit der Wahl, denn Finnland gilt immer wieder als glücklichste Nation der Welt und zeichnet sich durch ein sehr inklusives Bildungssystem aus. Nun musste alles sehr schnell gehen. Auf die offizielle Zusage der Uni wartete ich lange. Eine geeignete Wohnung zu finden und mir ein funktionierendes Assistenzteam zusammenzustellen, war viel Arbeit und brachte mich auch regelmäßig an meine Grenzen. War das vielleicht doch eine Nummer zu hoch? Am Ende funktionierte dann jedoch aber alles und am 24. Juli 2024 machten wir uns mit einem mehr als vollgestopften Auto auf den Weg nach Helsinki. Kleiner Tipp: Über Erasmus gibt es bis zu 10.000 € für behinderungsbedingte Mehrbedarfe.  



Mit meiner Assistentin am Meer
Mit meiner Assistentin am Meer

             

Abenteuer „Mini-Kreuzfahrt“ – Mit der Fähre von Travemünde nach Helsinki


Geflogen bin ich schon oft. Aber 30 h Fähre? Ich weiß ja nicht, denn ein großer Kreuzfahrt-Fan war ich noch nie. Irgendwie war mir das unheimlich. Jedoch musste ich für mein großes Vorhaben einiges mitnehmen, z.B. meinen Aktivrollstuhl, meinen E-Rollstuhl, einen Duschstuhl und noch vieles mehr. Das erforderte wohl mal wieder einen vollgestopften Caddy. Unser Auto hatte in diesen Dingen schon gut Übung und wuchs regelmäßig über seine eigenen Grenzen hinaus. Doch es wäre viel zu anstrengend gewesen, die gesamte Strecke bis Helsinki mit dem Auto zurückzulegen. Und so musste die Fähre her, eine andere Möglichkeit gab es nicht wirklich. Da mussten wir jetzt einfach durch. Die Strecke Travemünde – Helsinki wurde gut beworben und sogar als „Mini-Kreuzfahrt“ beworben, die Fahrzeit lag bei 30 Stunden. Das schrie nach Abenteuer. Für uns drei (meine Eltern und ich, sie brachten mich nach Helsinki) bezahlten wir aber auch über 1.000 € und da war noch nicht einmal das Essen mit dabei. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Erasmus! All meine Sachen mit dem Flugzeug zu transportieren, wäre wohl schlicht und ergreifend nicht möglich gewesen. Die Fluggesellschaft ist schließlich nur zur Mitnahme eines Hilfsmittels verpflichtet. Wir buchten eine rollstuhlgerechte Kabine mit einer Größe von etwa 20 m2. Bei dieser Fähre wäre es nicht möglich gewesen, mit einem elektrischen Rollstuhl an Board zu gehen, lediglich mit einem Aktivrollstuhl. In Lübeck angekommen war erst einmal Warten angesagt. Um 21:00 Uhr begann der Check-In, aber erst ab 23:30 Uhr durften wir unsere Kabine beziehen. Auf dem Schiff wurde hauptsächlich Ware transportiert, Passagiere mit oder ohne Fahrzeuge waren eher Beiwerk. Die rollstuhlgerechte Kabine war super und wir konnten mehr oder weniger entspannt zu dritt dort schlafen. Vor allem das Badezimmer war positiv hervorzuheben. 30 Stunden ohne WLAN (unverschämt teuer und außerdem unnötig) mitten auf der gewaltigen Ostsee – da verbrachten wir viel Zeit mit Essen, Sonnenbaden und Entspannen auf dem obersten Deck, Schlafen und vor allem Staunen. Wir waren schließlich Mitten auf der Ostsee! Diese Form des Reisens ist auf jeden Fall zu empfehlen, auch wenn Essen und Getränke auf dem Schiff sehr teuer waren. Auf dem Schiff wird zudem nur Englisch und Finnisch gesprochen, darauf sollte man sich einstellen. Zudem fahren die Schiffe immer nur Mitten in der Nacht. Wer ein großes Unterhaltungsprogramm erwartet, der ist hier falsch. Während der 30-stündigen Reise darf man nicht noch einmal an das eigene Auto.



Noli Studio Herttoniemi


Auf der Fähre
Auf der Fähre

Auf der Fähre hat man wirklich einmal Zeit für sich. Als wir wohlbehalten in Helsinki ankamen, waren wir trotzdem ganz schön erledigt. Eine Reise ist eben doch immer anstrengend!        

Ein Auslandssemester in Helsinki zu machen, ist eine super Idee. Doch wo die Wohnung herbekommen? Leider funktionierte auch das bei mir nicht auf herkömmlichem Wege: Der Anbieter von finnischen Studentenwohnungen, HOAS, konnte mir leider kein Zimmer anbieten. Ob es daran lag, dass ich „nur zwei Monate“ bleibe oder daran, dass es tatsächlich keine rollstuhlgerechte Ausstattung gab - das habe ich bis heute nicht verstanden. Vom International Office der DIAK Helsinki bekam ich den Tipp, mich an die Noli Studios zu wenden, die es hier überall in Helsinki gibt. Ich war sehr unsicher und schrieb unzählige Mails mit dem Noli Herttoniemi hin und her. Sie waren stets sehr freundlich und lösungsorientiert und beantworteten mir geduldig alle meine Fragen. Schlussendlich buchte ich mir ein 37 m2 großes Apartment mit voller Ausstattung (Geschirrspüler, Waschmaschine, Sofa, Betten etc. Für die Assistenz buchte ich noch ein extra, kleineres Apartment im gleichen Haus. Die Ausstattung ist wirklich hochwertig. Auch hier merkt man wieder den einmalig finnischen Stil. Das Badezimmer ist mit dem Aktivrollstuhl gut möglich, auch wenn es immer wieder kleinere Stufen gibt und das Waschbecken zu hoch ist. Hier hat man quasi seine eigene kleine, gut ausgestattete Wohnung. Man muss also selbst einkaufen und sich versorgen. Dinge, wie Bettwäsche, Handtücher, Sauna, Fitnessstudio etc. sind aber im Preis mit inbegriffen. Es ist möglich, hier einen kürzeren oder einen längeren Aufenthalt zu verbringen. Die Apartments gibt es in mehreren Größen und Ausstattungen. Das Haus wurde erst im letzten Jahr gebaut und das merkt man auch, alles ist noch sehr neuwertig. Ich bin ein großer Fan des Konzepts und kann die Noli Studios nur weiterempfehlen. Ich fühle mich hier sehr wie Zuhause! 



Dom zu Helsinki und Senatsplatz


Der Dom zu Helsinki
Der Dom zu Helsinki

Der Senatsplatz ist das Zentrum von Helsinkis Altstadt und eine echte Augenweide. Hier trifft sich ganz Helsinki. Es gibt zahlreiche touristische Cafés und Restaurants. Von hier aus führt ein direkter Weg zum imposanten Hafen oder auch zur Einkaufsstraße Aleksanterinkatu. Den Senatsplatz sollte man unbedingt eine Weile auf sich wirken lassen. Der Dom zu Helsinki ist das Wahrzeichen der Stadt Helsinki. Er scheint hell und versetzt mit seiner eindrucksvollen Architektur alle Umstehenden zurecht in Staunen. Die evangelische Kathedrale wurde etwa um 1850 erbaut. Auf den Treppen des Doms hat man einen fantastischen Blick über den gesamten Platz. Durch eine Rampe und einen größeren Umweg kann man auch mit dem Rollstuhl oben an den Treppen stehen und den Blick schweifen lassen. Es gibt einen einigermaßen barrierefreien Eingang zum Dom, allerdings sollte man hier die Öffnungszeiten beachten. Der gesamte Senatsplatz sowie der Zugang zum Dom sind jedoch mit Kopfsteinpflaster übersäht.  



Felsenkirche


Felsenkirche Helsinki
Felsenkirche Helsinki

Die lutherische Felsenkirche in Helsinki ist etwas ganz Besonderes: Die Kirche liegt leicht in der Natur, gleichzeitig nah am Bahnhof. Das Gebäude liegt beinahe etwas unter der Erde und ist von beeindruckenden Felswänden umgeben. Auch hier zeigt sich Helsinki mal wieder mit seiner einzigartigen Architektur. Die Akustik im Raum ist bemerkenswert. Nach einem klassischen Konzert, welches ich dort besuchte, konnte ich das bestätigen. Weitere Highlights des Ortes sind die besondere Decke sowie die Orgel. Sich die Kirche anzuschauen, kostet Eintritt und ist sehr beliebt bei Touristen. Wie fast überall in Finnland, gibt es auch hier eine rollstuhlgerechte Toilette.   



Festungsinsel Suomenlinna


Fähre nach Suomenlinna
Fähre nach Suomenlinna

Die Festungsinsel Suomenlinna ist, bis jetzt, einer meiner absoluten Lieblingsplätze in und um Helsinki. Als Rollstuhlfahrer*in ist die Fähre (ca. 20 Minuten) sogar kostenlos. Ansonsten ist die Fähre auch im Ticket für die Öffentlichen Verkehrsmittel inbegriffen. Auf wen nichts von beiden zutrifft, der bezahlt 8,50 € für die Hin- und Rückfahrt. Die Festung Suomenlinna wurde im 18. Jahrhundert errichtet. Heute wird die Insel, beziehungsweise mehrere Inseln, die miteinander verbunden sind, nicht mehr militärisch genutzt. Suomenlinna gehört zum UNESCO-Welterbe. Bei Tourist*innen sowie Anwohner*innen gleichermaßen ist die Insel sehr beliebt. Heute befinden sich dort Museen, Cafés, Restaurants, Shops und noch vieles mehr. Doch vor allem ist die Natur auf Suomenlinna einmalig und wie im Märchen. Felsen, Festungen, tolle große und kleine Häuschen und einmalige Ausblicke auf die Ostsee – auf jeden Fall eine sehr große Empfehlung! Natürlich gibt es aber auch hier Kopfsteinpflaster und es geht viel auf und ab. Doch das sollte man in diesem Fall auf sich nehmen. Mit dem E-Rollstuhl ist es gut machbar.  



    


Alte Markthalle


Lecker!
Lecker!

Die Alte Markthalle in Helsinki ist sehr sehenswert und auch weitgehend barrierefrei. Hier betritt man ein schönes, historisches Gebäude und bekommt Zutritt zu jeder Menge frischem, leckeren Fisch oder anderen finnischen Köstlichkeiten. Kaffee und Zimtschnecken dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die Markthalle ist unterteilt in süße und herzhafte Waren. Zudem gibt es gemütliche Cafés und Bistros. Ein toller Ort zum Verweilen, Schlemmen oder um Souvenirs für die Liebsten zu besorgen. Neben der Markthalle gibt es in der Innenstadt auch noch einen Markt mit mehreren Ständen, der jeden Tag geöffnet hat und Postkarten, Kleidung, finnische Handwerkskunst, traditionelle Speisen und noch vieles mehr zu bieten hat.     



Zentralbibliothek Odi 

  

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Die Zentralbibliothek Odi wird auch als das „Wohnzimmer von Helsinki“ bezeichnet und ist ein hochmodernes, architektonisch bemerkenswerte Gebäude. Sie wurde erst Ende 2018 eröffnet. Hier ist wirklich ein Ort zum Wohlfühlen, vollständig barrierefrei. Neben zahlreichen Büchern und Zeitschriften gibt es hier 3D- und Fotodrucker, Nähmaschinen, Tonstudios, Coworking-Spaces, viele gemütliche Sitzgelegenheiten und vieles mehr. Es gibt sogar ein Restaurant und eine Dachterrasse. Hier kann man also ganz entspannt einen ganzen Tag verbringen. Überall sind Rampen und es gibt mindestens drei gut ausgestattete rollstuhlgerechte Toiletten.  




Überfahrt nach Tallinn, Estland   

Als gäbe es in Helsinki und Finnland nicht genug zu sehen, wollte ich gleich in der zweiten Woche auch noch Tallinn und Estland sehen. Nicht wegen der tollen Bilder auf Instagram, sondern einfach, weil ich wahrscheinlich nie wieder so einfach die Möglichkeit bekommen würde, neben Finnland gleich noch ein anderes Land zu bereisen. Mit der Fähre war Tallinn etwa zweieinhalb Stunden mit der Fähre entfernt. Wenn man Glück hatte, kostete das etwa 50 € pro Person für Hin- und Rückfahrt. Die Fähre dorthin war komplett barrierefrei zugänglich und bot ein richtiges Entertainment-Programm. Jeden Tag wollen viele Menschen mit der Fähre reisen, es gilt also, entsprechend Zeit einzuplanen. Die Stadt und vor allem der historische Stadtkern sind absolut sehenswert und beeindruckend. Hervorzuheben ist beispielsweise die Alexander-Newski-Kathedrale. Ich war total glücklich, mir Tallinn einen Tag lang anschauen zu dürfen. Jedoch muss man hier deutlich hervorheben, dass es kaum Rampen oder rollstuhlgerechte Toiletten, dafür aber viel Kopfsteinpflaster gibt. Auch der „Ton“, der hier herrscht, ist ein anderer. Inwieweit Diversität hier schon eine Rolle spielt, lässt sich nach einem Tag natürlich schwer beurteilen. Tallinn mit dem Rollstuhl muss man also „wollen“. Ein Abenteuer ist und bleibt es aber auf jeden Fall!    



Fazit

Was soll ich sagen? Ich hatte Anfangs wenig Erwartungen und Vorstellungen, doch habe mich dann relativ schnell in Helsinki und Umgebung verliebt. Die Stadt ist sehr divers und offen, man sieht viele Rollstuhlfahrer*innen in der Stadt. Überall gibt es Rampen und geeignete Toiletten, die vor allem auch sauber sind. Hier wird sehr auf Qualität geachtet. Die Menschen, die ich bisher kennengelernt habe, waren nett aber eher zurückhaltend. Natur und Architektur beeindrucken mich jeden Tag aufs Neue und ich bin froh, dass ich noch eine Weile hier sein darf. Die Öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren mit dem Rollstuhl sehr gut und sind auch nur für die Begleitperson kostenpflichtig. In Finnland ist alles sehr teuer, darauf sollte man sich einstellen. Außerdem gibt es nicht immer gutes Wetter. Regenkleidung ist also angesagt, die Reisezeit sollte außerdem in den Sommermonaten liegen. Finnisch ist eine schwierige Sprache, doch mit Englisch kommt man auch sehr weit. Kaffee und Sauna spielen außerdem eine wichtige Rolle. Also, bist du bereit für Finnland?    

Auf geht's!
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