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Kosmonaut Festival 2018

Nach dem Springbreak ist vor dem Springbreak! Ja, das Sputnik Springbreak (Bericht folgt) hatte uns in diesem Jahr noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise herausgefordert. Spaß hatten wir auf, für mich dem dritten Festival, eine Menge gehabt. Trotz allem merkten wir, und vor allem ich, dass es im Vergleich zum ersten Mal (2015) schon lange nicht mehr dasselbe war. Aus irgendeinem Grund machte auch das Zelten in diesem Jahr nicht so viel Freude wie die letzten Male, auch wenn das Festival mit sauberen behindertengerechten Toiletten und Duschen wesentlich moderner geworden war.

Wie dem auch sei: Abwechslung musste her! Auf keinen Fall wollten wir damit aufhören, Festivals zu besuchen. Allerdings stand uns der Sinn nach einem Tapetenwechsel. Dieser sollte uns jedoch nicht gleich wieder überfordern, schließlich war das Wochenende ja eigentlich zum Ausruhen da. In Potsdam fuhr das Karussell des Lebens ohnehin schon sehr schnell, laut, immer auf Hochtouren und möglichst ohne Pause! Festivals wie Rock am Ring standen also erstmal nicht zur Debatte.

Es ist wohl kein großes Geheimnis, dass ich der größte Kraftklub-Fan auf Erden bin. Schon lange hatte ich deshalb mit dem Kosmonaut Festival, welches in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) ausgetragen wurde, geliebäugelt. Chemnitz war außerdem die Heimatstadt der Band und somit auch Kult für mich.

Die Planung

Die Karte kauften wir relativ spontan. Dieses Mal wurde es auch lediglich eine Tageskarte. Erstens war das Wochenende zu kurz, und völlig durchgefeiert nach Potsdam zurückzureisen war für uns keine Option, und zweitens sprachen uns schlicht und ergreifend die anderen Bands, bis auf Kraftklub, lang nicht so an.

Die Karte war bestellt! Viele andere Dinge, wie Schule Ausbildung, spätere Assistenzplanung und Wohnungssuche, rückten wieder in den Vordergrund.

Knapp zwei Wochen vorher leitete mir ein guter Freund dann eine Mail mit folgendem Inhalt weiter:


Dieses Angebot erschien natürlich verlockend, so etwas hatte ich im Zusammenhang mit einem Festival noch nie gesehen! Ein perfektes Beispiel für reibungslose Inklusion!

Ursprünglich war der Plan, dass wir uns in der Nacht wieder abholen ließen. Doch waren es doch beinahe zwei Stunden Fahrzeit nach Eisleben und dann sollte es ja am nächsten Tag (Sonntag) auch wieder nach Potsdam gehen. Wir hatten eine Tageskarte für Samstag.

Ach, ja: Auch bei diesem Festival war nur eine Karte nötig, die zweite wurde durch das B im Schwerbehindertenausweis ersetzt!

Wir wendeten uns also an den angegebenen Kontakt der CoWerk Familienunterstützung und bekamen eine Antwort, die uns wahnsinnig tolle Möglichkeiten eröffnete: Nachts war eine Abholung vom Festivalgelände möglich, die Zeit konnten wir selbst bestimmen und sogar ein Transport im Rollstuhl wäre möglich gewesen. Gebracht werden würden wir zu einer Art Internat, Hort oder halt einfach einer Betreuungseinrichtung (wie man es auch immer nennen wollte) und konnten dort für eine Nacht in einem großen, rollstuhlgerechten Zimmer übernachten. Morgens gab es Frühstück für uns und dann würde es wieder zurück zum Hauptbahnhof in Chemnitz gehen. Was für ein Angebot! Und das alles für uns beide für weniger als 200 €. Das Beste: Die Kosten können von der Pflegekasse wiedererstattet werden, da sie als Betreuungsleistungen ausgeschrieben wurden. Der Dienst bot sogar an, wenn nötig, pflegerische Maßnahmen zu übernehmen. Bei diesem Angebot konnten wir einfach nicht “Nein” sagen! Das ersparte uns schließlich auch das, nicht immer ganz so unkomplizierte, Zelten.


Die Reise nach Chemnitz traten wir mit der Bahn an. Von Eisleben nach Chemnitz sogar völlig kostenfrei, da hier nur Regional- und S-Bahnen zum Einsatz kamen.

Aber Achtung: Auf der Strecke Leipzig/Chemnitz fahren noch ganz alte Züge (eben original Ostler), bei denen der Mobilitätsservice mit Ein- und Ausstiegshilfe dringend erforderlich ist! Wir fühlten uns hier ein wenig wie im Hogwarts-Express!

Die Rückfahrt buchten wir direkt von Chemnitz nach Berlin, auch hier war wegen Intercity und dem Hogwarts-Express Ein-und Ausstiegshilfe nötig! Die Nummer zum Mobilitätsservice ist 0180 6 512 512.

Anfahrt und Festival

Die Anfahrt von Lutherstadt Eisleben gegen 15:30 Uhr. Zwar wäre die Karte bereits ab 13:00 Uhr gültig gewesen, das hätte für uns allerdings wieder Stress bedeutet und außerdem waren die anderen Bands sowieso weitgehend uninteressant. So konnte die Party wenigstens schön ausgeschlafen starten.

Beinahe wäre das Experiment schon in Eisleben gescheitert, denn man wollte uns nicht in den Zug einsteigen lassen. Grund dafür war, dass ein zu großer Höhenunterschied zwischen Bahnsteigkante und Zug bestand. So musste man mich in den Zug rein heben. Das war aber schon immer der Fall gewesen, schon seitdem ich mit dem Zugfahren begonnen hatte. Und auf einmal sollte es “verboten” sein. Was für eine Diskriminierung diese Wortwahl doch darstellte! Schlussendlich konnten wir uns dann aber doch durchsetzen und die Reise konnte weitergehen. Hier aber nochmal für alle zum Mitschreiben: Der Bahnhof in Eisleben ist nicht barrierefrei!

(Augen auf bei der Wohnortwahl!!! :))


Die Anfahrt nach Chemnitz zog sich ziemlich lang hin: Von Halle (Saale) ging es in die S-Bahn nach Leipzig Hauptbahnhof und von da aus mit dem Hogwarts-Express auf den Hauptbahnhof in Chemnitz.


Wir waren fest davon ausgegangen, dass solche Züge schon gar nicht mehr in Betrieb waren und hatten deswegen auch keine Hilfe bestellt. Doch hier konnten nur starke Männerhände helfen. Zu zweit wurde ich in den Wagen gehievt, der kurze Zeit später wegen eines Fahrzeugschadens verspätetes Eintreffen in Chemnitz anmelden musste.

Ja, wohl wahr: Hier waren wir definitiv im tiefsten Osten angekommen!

Noch direkt im Zug meldeten wir Hilfestellung für die entsprechende Rückfahrt an, mit einem Hublifter würde auch dieser Zug kein Problem darstellen. Ironisch war, dass der Zug doch tatsächlich über Rollstuhlplätze verfügte. Wie der Rollstuhlfahrer reinkommen würde, sei erstmal dahingestellt!

Wenn der Chemnitzer Hauptbahnhof auch nichts hatte, aber eine Behindertentoilette war vorhanden, wenn auch ohne Wasser, aber das sollte nicht unser Problem sein!

Doch wir sollten für unsere lange Anreise belohnt werden: An der Bushaltestelle stand direkt schon der Shuttlebus, ein normaler Linienbus mit Rollstuhlrampe, zum Stausee Rabenstein, dem Austragungsort des Festivals. 20 Minuten später erreichten wir dann endlich unser Ziel!

Das Gelände war wesentlich kleiner, als wir es vom Springbreak gewohnt waren, doch es schien uns hier auf jeden Fall gesitteter vorzugehen. Und schon bald hatten wir auch unsere Festivalbänder. …


Nun war es 19:30 Uhr und es wurde Zeit, einige Punkte auf unserer Liste abzuarbeiten: Positiv fiel uns zuerst die Gegebenheiten des Geländes auf. Zwar ging es hier, wie auf fast jedem Festival, auch bergig zu und natürlich gab es auch jede Menge Wiese, doch auch fast überall asphaltierte Wege.

Zuerst ging es für uns zum Merchandising-Stand. Bedauerlicherweise war hier schon fast alles ausverkauft, widerstehen konnten wir trotzdem nicht. Mit dem neuen T-Shirt ging es erstmal zum Umziehen auf die Behindertentoilette. Diese war riesengroß, sauber, schön gefliest und sogar mit ebenerdiger Dusche. Einziges Problem: Auch hier gab es heute wegen eines Rohrbruchs kein Wasser! Nach ein paar Bier konnte ich dann zwar auch das Rollstuhl-Dixi ganz gut verschmerzen, welches direkt an der Rollstuhltribüne stand, doch weiß ich, dass das nicht für Jedermann (und schon gar nicht für Frau) ist.

Das Gelände direkt am Stausee Rabenstein war wunderschön anzusehen und so konnten wir nicht anders, als hier einen Moment zu verweilen.


Langsam bekamen wir Hunger! Alle Imbissstände waren völlig überfüllt und so mussten wir uns auf langes Anstehen einlassen. Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten entschieden wir uns dann doch für den Mexikaner aus Berlin. Hier kam eben doch die Liebe zur neuen Heimat durch!

Nach einer halben Ewigkeit hatten wir unsere Nachos und unseren Burrito. Als sehr komfortabel empfand ich, dass hier zum Essen überall feste Sitzbänke standen. Endlich wieder etwas Warmes zwischen den Zähnen, das tat gut!

Jetzt aber schnell: Auf der Bühne spielte bereits Milky Chance, eine Band, die es durchaus wert war, einmal live gesehen zu werden.


Von der Rollstuhltribüne hatten wir einen ziemlich guten Blick, gleich daneben das rollstuhlgerechte Dixi und der Bierwagen. Was wollte man mehr?

Schon jetzt waren viele Menschen mit Behinderung hier auf der Bildfläche zu sehen. Menschen mit geistiger Behinderung, blinde Menschen und natürlich auch Rollstuhlfahrer. Viele von ihnen hatten vom Barrierefreien Festival e.V. gehört und das Angebot der CoWerk Familienunterstützung genutzt, um sich zum Festival bringen zu lassen. Hier trafen wir auch gleich Marie-Luise, die uns mit viel Zeitaufwand und Hingabe beraten und auch uns ein tolles Angebot gemacht hatte. Großes Kompliment!

Im Verlauf des Abends, und vor allem als dann Kraftklub auftauchte, wurde die Tribüne richtig voll. Hier waren bestimmt 10 – 15 Rollstuhlfahrer am Start. Inklusion kann eben doch so einfach sein!

Das Kraftklub-Konzert war natürlich wieder die reinste Eskalation mit sehr sympathischem Humor und gutem Rhythmus! Karl-Marx-Stadt, Baby! Und dann wusste ich es auch wieder ganz genau: “Ich will nicht nach Berlin!” Am nächsten Tag versagte dann auch die Stimme. Genau so muss das sein!


Nach dem wahnsinnig tollen Auftritt trafen wir uns mit Marie-Luise am Behindertenparkplatz, luden den Rollstuhl in den Caddy und mich auf den Beifahrersitz. Wir waren alle fast im selben Alter, so dass es jede Menge Gesprächsthemen auf der Fahrt gab. Nach etwa 25 Minuten waren wir am Ziel. Das Gebäude der CoWerk Familienunterstützung empfing uns freundlich: Es gab elektrische Türen im Altbau, einen Treppenlift und eine sehr freundliche Innenausstattung.

Wir beide wurden in ein sehr geräumiges Zimmer mit zwei Pflegebetten geführt. Hier würde sich die Nacht sicher gut verbringen lassen. Schon sehr bald fielen wir, totmüde wie wir waren, in einen ruhigen und festen Tiefschlaf!


Am nächsten Tag wachten wir gegen 09:00 Uhr, für Festivalverhältnisse relativ erholt, wieder auf. Das rollstuhlgerechte Badezimmer war ein paar Räume weiter gelegen und auch völlig ausreichend eingerichtet.

Als wir fertig waren, wartete bereits das Frühstück auf uns. Nebenbei wurden sehr nette Gespräche geführt, neue Kontakte geknüpft und wir konnten sogar Einblicke in die Arbeit des familienunterstützenden Dienstes werfen.

Gegen 10:30 Uhr ging es mit dem Caddy wieder in Richtung Chemnitz Hauptbahnhof. Was für ein tolles Angebot! Hier war wirklich alles inklusive! Auch andere Festivals sollten sich hier dran unbedingt ein Beispiel nehmen!!!

Heute ging die Toilette am Bahnhof wieder. Und so ging es mit dem Hogwarts-Express wieder zurück nach Leipzig und von dort aus mit etwas Verspätung nach Berlin. Durch die angemeldete Hilfeleistung war auch der sehr alte Zug kein Problem mehr!

In Potsdam wurden wir bereits sehnsüchtig erwartet. Was für ein Wochenende! Jederzeit würden wir es so wiederholen, doch nun waren erstmal gute Freunde und jede Menge Schlaf nötig!

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